MOTHER OCTOPUS
deutsch
Was Johanna Haarer uns angetan hat:
Die nationalsozialistische Vorstellung von
„Kinderbetreuung“ (Schriften von Johanna Haarer)
hat jahrzehntelang, bis in die 80er Jahre, die Bindung
zwischen Mutter und Kind zerstört.
Wir als Frauen müssen akzeptieren,
dass wir, geprägt durch das Patriarchat,
das Potenzial haben,
genauso grausam, gemein und gewalttätig zu sein
wie Männer.
Männer für all das Leid verantwortlich zu machen,
ist eine Möglichkeit,
die wahre Heilung – wahrscheinlich –
unmöglich machen wird.
Männer sind nicht der Feind.
Vielmehr brauchen wir einander
als Verbündete in unserer Vision,
5000 Jahre Patriarchat zu überwinden.
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Okay. Denk darüber nach,
was von Kriegstraumata gezeichnete Mütter
uns angetan haben. Die Armen.
Sie machten uns zur Mutter.
Sie tauschten die Rollen.
Wir mussten uns um sie kümmern.
Ich musste mich um sie kümmern.
Ich war verloren.
Ich war sie.
Ich fühlte, was sie fühlte.
Es dauerte Jahre und Jahrzehnte,
bis ich herausfand – was passiert war,
lag verborgen in einem Nebel aus Liebe
und romantischen Gefühlen.
In diesem Nebel war ich immer wieder verloren.
Ich war fest mit dem Romantischen
und dem Horror verbunden.
Mit dem süßen Rosa und dem grauen Dunkel.
Es dauerte Jahrzehnte, bis ich den Nebel verlassen konnte.
Es dauerte Jahrzehnte, bis ich verstand,
wie ich immer wieder zu diesem Heimatland
zurückkehrte – zu Trauma und Schrecken.
Mit jedem kleinen Trigger wurde ich zurückgeholt.
Ich war fasziniert.
Ich war neugierig.
Ich wollte mehr über dieses Zuhause
voller Knochen herausfinden, voller Tod,
voller schrecklicher, schrecklicher Tragödien.
Bis mir klar wurde:
Ich muss einfach das Band durchschneiden.
Ich muss die Verbindung trennen, einfach so.
Eine Sekunde. Und es ist vorbei.
Das ist es.
Es ist weg.
Und weiß, weiß, weiße Farbe
bedeckt alles, was in der Vergangenheit war.
Neues Land, neue Zeit.
Neue Gefühle. Alle Kraft, die sich in
Jahrzehnten angesammelt hat.
All das Wissen, alle Kompetenz, alles,
was ich aufgebaut habe.
Alles, was ich neu/wieder erfunden habe.
Alles ist hier.
Alles steht mir zur Verfügung.
Ich kann mit all dem arbeiten, kraftvoll.
Und so lasse ich meine Arme, meine Tentakel,
nachwachsen, wie ein Oktopus.
Ich wachse heran – von Neuem.
Ich bin meine eigene Oktopus-Mutter
Ich bin mein eigener
Schwarm von Intelligenz
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ABSPANN
DANK AN FRAUEN, DIE FRAUEN STÄRKEN
Minoische Künstler:innen für den Oktopus und die letzte bekannte freie Kunst in Europa
Donna Haraway für „Denken müssen wir!“
Laure Prouvoust für lebensverändernde, multidimensionale Videokunst
Martha Jungwirth für Klarheit und Ausdauer
Leonora Carrington für Visionen
Frida Kahlo für die Fähigkeit, mit Kunst Schmerz zu verwandeln
Marija Gimbutas für die Ausgrabungen wichtiger Wurzeln des Patriarchats
Mary Mackey für eine Geschichte des Wandels
Starhawk für die Verbindung von Ritualträumen mit Politik
Luisa Francia für wilde Magie
Kate Atkinson für ihre Liebe zu dysfunktionalen Familien
Astrid Lindgren für starke Erzählungen von einer liebevollen Kindheit
Isabel Allende für ungezähmte Fantasie
Evke Rulffes für die Dekonstruktion der Hausfrau
Sigrid Chamberlain für die Offenlegung von Kindertraumata durch Propaganda
Gabriele Kahn für die Rettung des inneren Kindes
Brigitte Schigl für Unterstützung mit beispielloser Präzision
Danke an alle feministischen Männer, die Frauen auf vielfältige Weise unterstützen
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Konzept, Gemälde, Textilkunst, Performance, Anfängerpiano, Klänge, Video, Schnitt, Text: Isabella Scherabon
Sound-Unterstützung: Mic Oechsner
Kompositionen: Mic Oechsner – giardino pubblico – spotify
Textauszüge: Adolf Hitler, die deutsche Mutter und ihr erstes Kind Sigrid Chamberlain, Psychosozial-Verlag
Foto Johanna Haarer: fembio.org
Oktopus-Video: Adrien Jacta pexels.com
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© Atelier Isabella Scherabon, 2024