Warum Barbie – der Film – nicht feministisch ist.

Obacht - böse Kritik ;) Der Film besteht ungefähr aus 4 Pixeln: Eins rosa, eins blond, eins schwarz und eins weiß. Damit holpert die Geschichte zwischen Gut und Böse, Schlau und Blöd dahin. Gute Nacht, Gehirn – hier braucht dich niemand!

winter 2024

Warum Barbie-der-Film nicht feministisch ist.

Heute widme ich mich mit grimmiger Gaudi dem Verriss der zuckerlrosa Mädi-Verfilmung. Ich habe – ungern, aber um weltoffene Neutralität bemüht  – den Barbie-Film in den verkühlten Weihnachtsferien konsumiert, weil es so oft und aus möglicherweise seriöser Kritiker:innenquelle geheißen hat, der Film sei feministisch. Und so gut gemacht. Und die Sets so liebevoll. Und die Schauspieler so ….

Ok. Oje.

Ist er nicht.


Hier sind 13 hexische, echte, politische Gründe, warum nicht.

1.

Feminismus ist keine Wippe, wo einmal die Männer oben sind, und dann, endlich, mit List und Tücke, die Frauen. Feminismus bedeutet nicht, wir edlen, emotional weisen Frauen, gegen die leicht vertrottelten und unfähigen Männer. Feminismus ist – nach 5.000 Jahren Herrscherfantasien und der Arbeit von vielen, vielen klugen Frauen und Männern – eine fundierte Kritik an einem System, das auf Besitz und Herrschaft aufbaut. Und das durch die Filmindustrie fundiert zusammen gehalten wird.

2.

Rosa Kunststoffplastikpuppen täten, sie täten Präsidentinnen sein. Und Ärztinnen. Und Nobelpreisträgerinnen. Und manche täten nicht so schlau sein und täten Mistkübelfahrerinnen sein. Und sie täten urschön angezogen sein. Und urschöne Häuser haben.

Das täte den Kens nicht gefallen, weil sie niemand ernst nimmt. Da täten sie sich dann rächen. Dann täten die Barbies noch schlauer sein und sie sich WIEDER rächen, dann täten die Kens weinen müssen und alles täte wieder gut sein.

Oje. Auf diesem Niveau Feminismus abzuhandeln ist Kinderkram. Ja, der Film ist ein Unterhaltungsblockbuster. Ja, er ist im Sommer erschienen. Aber Feminismus?

3.

Der Film besteht ungefähr aus 4 Pixeln: Eins rosa, eins blond, eins schwarz und eins weiß. Damit holpert die Geschichte zwischen Gut und Böse, Schlau und Blöd dahin. Gute Nacht, Gehirn – hier braucht dich niemand!

4.

Die GÄNSEFÜSSCHEN feministische GÄNSEFÜSSCHEN Botschaft, die hängen bleibt, ist die: Margot Robbie ist wunderwunderschön, und sie hat viel glattere Haut als ich (und 90% aller Frauen), viel dichtere und tollere Haare als ich (u9aF), dünnere und längere Beine als ich (…), eine makellosere Figur undsoweiter und sofort.

Und das ist die giftige Botschaft, die alle feministischen Nanopartikel im Film überschreibt, und die alle Barbies seit ihrer Erfindung aussenden: Du! bist! nicht! so! schön! wie! ich! Und du wirst nie so viele tolle Kleider und Freundinnen haben! Ha!

5.

Argghhh! Eine coole Ansage einer coolen jungen Frau, die Barbie-Margot fertig macht und faschistisch nennt. Aber dann: Die ex-coole junge Frau verwandelt sich im rosa Barbieland umgehend in verständnisvolles Nicken und Kooperieren. Barbie hat Frieden zwischen ihr und ihrer Mutter gestiftet! Häh? Aber wie??

6.

Ein langes Lamento der besagten Mutter über das Frau-Sein. So schwierig! So arg! So widersprüchlich! Was wir alles sein sollen! Heul! Klag! Oje!

Kinder: Das haben eure Großmütter schon in den 60er und 70er Jahren bejammert. Eure Mütter in den 80er 90er Jahren bekämpft. Lernt Geschichte! Lest alte Bravohefte und Frauenheftln! Alles schon da gewesen, leider.

7.

Frauen haben sich nach dem Barbie-Film – angeblich – entsetzt von ihren Macho-Männern getrennt.  Sie haben geweint, weil ihnen klar geworden ist, wie schrecklich das Patriarchat ist. Nochmal oje. Wenn das die Reaktion nach Barbie ist, was tun sie, wenn sie wirklich in der Realität zu forschen beginnen?

8.

Die so liebevoll gestalteten Sets sind für das Auge das, was ungefähr 148 quietschbunte Cupcakes von fancy Influencerinnen für den Magen sind. Auch wenn ersten Ideen ganz amüsant sind, sehr, sehr bald kommt die Plastik-Überdosis.

9.

A propos Plastik: Thematisiert das irgendjemand? Was es bedeutet, kleinen Kindern diese Riesenmenge gefärbtes Plastik ins Zimmer zu stellen? „Eine Barbie besteht aus einer Vielzahl von Kunststoffen. Und jedes Material altert anders. …  In der Fachliteratur finde sich jedoch nur wenig zur Barbie-Komposition. Auch der Hersteller Mattel gebe kaum Informationen dazu heraus. Die Puppen bis zum Jahr 1985 bestünden überwiegend aus dem gängigen Kunststoff PVC. In den neuen Puppen sei dann eine Vielzahl von Kunststoffen verarbeitet.“ (Chemie-Professor Jens Pesch von der Technischen Hochschule Nürnberg) 

Und wieviel Umsatzplus = chemisches Plastik-Plus der Film generiert? „Der Konzern erzielte von Juli bis September (2023) einen Umsatz von 1,92 Milliarden Dollar (1,82 Milliarden Euro) und übertraf damit die Erwartungen von Analysten. … Das Geschäft der Puppen-Sparte sprang im Jahresvergleich um 27 Prozent hoch. .... Mehr als ein Dutzend weitere Filme rund um Mattel-Spielzeuge wurden bereits angekündigt – zum Beispiel über Hot-Wheels-Autos und Polly-Pocket-Figuren.“ (ZDF heute „Globales Kulturphänomen“) 

Großes Riesen-Oje für Erde und Klima!

10.

Die verrückte Barbie! Das hätte was werden können, aber 1. war die Barbie, an der sich meine Tochter ausgetobt hat (kurze, mit grüner Tinte gefärbte Haare, ein abgekauter Fuß, Kugelschreiber-Tattoo-Kritzel) wesentlich origineller, und 2. als Outlaw – hat sie gespielt, sie täte ein Outlaw sein. Aber dann doch irgendwie hübsch und sehr sauber. Schade.

11.

Wahrhafte Schmerzen bereitet der Auftritt Ruth Handlers (die Erfinderin der Barbie-Puppe). Die weise Alte! So zerbrechlich! Mit allen, wirklich allen nur denkbaren Klischees versehen: von der Oma-Küche mit der Oma-Kredenz zu den Lichtstäubchen, zu den Pastellfarben, bis zur durchscheinenden Oma-Porzellan-Tasse mit Tee drin. Wie schön das ist! Und wie sie ihre fragilen Hände ausstreckt und Barbie hält, und Trost spendet! So tief! (Wo ist Oma Wetterwachs*, wenn man sie braucht! ;))

12.

Ah ja. Am Ende geht es worum? Sich selbst zu finden! Man selbst zu sein! Frau selbst auch! Das haben uns gefühlt 100 Disney-Filme schon eingeprügelt. Du kannst es schaffen! Weil du es dir wert bist! Geh deinen Weg! Du-ich-mir-selbst meine Entwicklung mein Ich! Ich will, ich habe, ich kaufe, und das System ist eh schön :).

13.

Und weil Oma Ruth noch ein Wunder bewirkt hat, ist Barbie jetzt menschlich und hat eine Vagina und wohl auch eine Vulva. Und eine Klitoris! (Und eine Verdauung, wer weiß.) Sie ist auf eigenen Wunsch ins immer noch harte Patriarchat versetzt worden (wie, wird ein Rätsel bleiben, ach ja, nein, weil sie es nicht einmal wollen musste, irgendwie). All das, nachdem sie Ken mit diesem weise-mütterlichen Psycho-Blick – der Männer die Wände hochjagt – vergeben hat und ihn auch irgendwie um Vergebung gebeten hat. Schön! und ganz ohne Küssen und Liebe (immerhin!). Jedenfalls, sie ist Mensch, hat Freu-heu-heunde und einen schicken Business-Suit, und kümmert sich erst einmal um ihre neuen Körperteile. Ob sie Präsidentin werden täte? Vielleicht in Folge 8!


Das hat Spaß gemacht! Und wenn du dir damit 114 Minuten Lebenszeit ersparst, ist es sogar ein bisschen wertvoll ….


Kritiken aus dem Falter 

Standard 

BBC 

* Oma Wetterwachs ist die Hexe aus der Feder Terry Pratchetts, die mit beiden Beinen fest in der Wirklichkeit steht, und sich nicht finden muss – sie weiß genau, wo sie ist!

Oma Wetterwachs tritt gemeinsam mit Nanny Ogg (ebenfalls Hexe und böse Schwiegermutter) und Magrat Knoblauch (junge Hexe, die an Amulette glaubt und sicher gerne eine Barbie gehabt hätte) ua in diesen Büchern auf: 

MacBest, die Geschichte eines bösen Herzogs und einer genialen Theatergruppe 

Total Verhext, die Geschichte von vielen Märchen und einer guten und einer bösen Fee 

Lords and Ladies, die Geschichte von bösen Elfen und einem Steinkreis

Terry Pratchett konnte WIRKLICH subversiv und Systemkritik, und obwohl männlich, ist er mit ziemlicher Sicherheit sehr feministisch gewesen.


Alle Bücher stets kaufen bei: LEOBUCH, werden auch zuverlässig versendet.